Xiaomis Schnelllade-Technologie hat mich überzeugt, wenn auch das beiliegende Netzteil riesig ist. Im Auslieferungszustand lädt das Gerät in rund 24 Minuten komplett auf – unter Idealbedingungen: Gerät ausgeschaltet und bei Zimmertemperatur. Findet man die tief verbuddelte Boost-Option (⚙ Einstellungen → Akku → Akku → Ladegeschwindigkeit steigern → Ladegeschwindigkeit steigern) lässt sich die Ladezeit sogar auf rund 18 Minuten verkürzen. Mich wundert allerdings, dass der Boost nicht standardmäßig aktiv ist. Hat Xiaomi etwa doch nicht so viel Vertrauen in seine Schnellade-Technik in puncto Sicherheit und Langlebigkeit?
Im 3Dmark-Benchmark geht das Gerät reproduzierbar in die Knie. Statt CPU und GPU runter zu takten kommt nach einigen Minuten Laufzeit eine lapidare Meldung, dass das Gerät überhitzt sei und die App deswegen geschlossen werde. Warum ist unklar, denn eigentlich sollte so etwas nicht passieren. Entweder klappt das Drosseln des Chips hier nicht hinreichend oder Xiaomi hat eine Mechanik eingebaut, die die Drosselung während der Laufzeit von Benchmarks ausschaltet, um sich bessere Scores zu erschummeln. Beides wäre nicht wünschenswert.
GIGA-Wertung: 7.0 / 10
Trotz der Dichte an Optionen, die MIUI beinhaltet, fehlen mir auch einige Features. Double-Tap-to-Sleep auf dem Homescreen, um den Bildschirm schnell zu sperren, zum Beispiel. Das ist bei vielen Android-UIs und Alternativ-Launchern Standard. Ich habe mir dafür mit einer anderen Geste beholfen: Ein Langdruck auf die Multitasking-Taste bewirkt dasselbe. Die Navigations-Buttons kann man nämlich mit Alternativ-Funktionalität belegen, definitiv ein Vorteil von MIUI, nur einen Doppeltap kann man dabei leider nicht festlegen.
Xiaomis Android-Anpassung MIUI hat nun auch schon mehr als eine Dekade auf dem Buckel. Als Custom ROM gestartet, welches das Look & Feel von früheren iPhone-Generationen nachzuahmen suchte, ist die Android-Variante heute deutlich von den eigenen Anfängen und dem Apple-Vorbild entfernt. Trotzdem gilt MIUI auch heute noch als auf „Eye Candy“ spezialisierte Android-Version.
(Statt 799 Euro UVP:) Android-Smartphone mit 200‑MP-Kamera, Snapdragon 8+ Gen1, 8 GB RAM, 256 GB Speicher
Abgesehen davon: Das Xiaomi 12T Pro ist ein schnelles Gerät, auch in Spielen oder rechenintensiven Operationen – so muss das sein.
Die Kamera: 200 MP reichen nicht
Und wenn man dann doch mal auf den 200‑MP-Modus umschaltet? Das ist, nebenbei, unnötig kompliziert (Zu „Mehr“ wischen → „Ultra HD“ → dann den kleinen Button „200 MP“ aktivieren). Es ist ein bisschen so, wie wenn der Kaiser nackt die Allee entlangflaniert. Dann sieht man, dass mehr Pixel nicht automatisch viel mehr Details bedeuten, dann ahnt man, warum Xiaomi die 200-MP-Option so schwer zugänglich macht. Immerhin werden auch 200‑MP-Fotos recht flott aufgenommen – das ist bei Motorola anders.
Ich maße mir nicht an, die Ursachen für die Bugs im Einzelfall zu kennen, aber der Gedanke, dass die mit Funktionalität vollgepfropfte und gegenüber Vanilla-Android stark modifizierte MIUI-Software (Stichwort: zu invasive Energiespar-Algorithmen) eben auch anfällig für Bugs und Instabilitäten ist, ist sicher nicht zu weit hergeholt.
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Die Kamera enttäuscht. Nicht etwa, weil das optisch stabilisierte 200-MP-Modul schlechte Fotos machen würde. Nein, die Bildqualität ist meistens in Ordnung. Aber …
Das Xiaomi 12T Pro ist ähnlich groß wie die meisten aktuellen High-End-Smartphones (163,1 × 75,9 × 8,6 mm), und mit 205 Gramm auch ähnlich schwer – Durchschnitt. Gut sieht es aus – ob’s auch interessant ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Von vorne ähnelt das Gerät mit abgerundeten Ecken, flachem Display und Punchhole-Kamera zahllosen anderen Smartphone-Modellen, auf der Rückseite fällt zumindest die markante zweistufige Kamerapartie ins Auge, die große Hauptkamera wird so ins rechte Bild gerückt. Da die Kamera nicht zentriert ist, wackelt das Gerät stark, wenn man es auf dem Tisch liegend bedient.
Xiaomi hält mit der 12T‑Serie an den im Frühjahr 2022 von den 12er-Geräten gesetzten gestalterischen Standard fest. Es arbeitet sich nicht an Unterscheidbarkeit zu den Vorgängern oder gar an optischen Merkmalen ab, die dem Zeitgeist widersprächen – elegant sieht’s aber trotzdem aus.
Im Test haben sich jedenfalls auch mit Lade-Boost keine Probleme erwiesen. Klar, das Handy wird beim Schnelladen etwas warm, das stört aber nicht. Vergisst man, das 12T Pro über Nacht zu laden und hat am Morgen nur ein paar Minuten Zeit, reicht das dennoch, um genug Energie für den Tag zu tanken. Denn: Je leerer der Akku ist, desto höher die Ladegeschwindigkeit. Das Xiaomi 12T Pro mit 10 % Restladung für 10 Minuten anstecken heißt, dass man schon wieder auf etwa 60 % geladen hat. Das ist einfach stark!
Viele Aspekte von MIUI sehe ich aber kritisch. Im Folgenden einige lose Beobachtungen.
- Ein App-Drawer ist in der Software vorhanden, man kann sogar bei der Inbetriebnahme auswählen, ob man diesen nutzen möchte oder nicht – gut. Leider bekommt man selbst bei aktiviertem App-Schubfach den Homescreen standardmäßig trotzdem mit Dutzenden von Icons zugemüllt, eines für jede neu installierte App. Dieses Verhalten kann man zwar abschalten, aber gerade am Anfang, wenn man die installierten Apps von einem anderen Gerät übernimmt, nervt das stark. Zumal man nicht einfach komplette Homescreen-Seiten löschen kann, was in dieser Situation von Vorteil wäre.
- Ist das 12T Pro eingerichtet, fällt auf, dass jede Menge kommerzielle Apps vorinstalliert sind, unter anderem Bing, Linkedin, Booking.com, Opera, Genshin Impact, Snapchat, Netflix, Facebook, Joom, Goboo, Agoda und WPS Office. Bizarre Folge: Mit Chrome, Xiaomis Mi-Browser und Opera sind gleich drei Webbrowser parallel vorinstalliert – und von denen lässt sich nur Opera entfernen. Das dürfte viele Nutzerinnen und Nutzer überfordern.
- Xiaomi ist stolz auf die eigene Wallpaper- und Lockscreen-App. Ständig und überall im UI wird den Nutzenden empfohlen, diese zu verwenden – ob im Menü, im Lockscreen, per Benachrichtigung und so weiter. Das nervt!
- Auch Bugs gibt es einige. Mein bevorzugter Browser, Firefox, zeigt oft statt einer Seite nur einen leeren Screen an. Erst wenn man eine andere App in den Vordergrund holt und den Browser erneut aufruft, wird die entsprechende Seite angezeigt (andere Geräte mit derselben Firefox-Konfiguration haben den Fehler nicht).
- Beim Telefonieren oder wenn das Telefon in der Hosentasche steckt, gehen Display und Touchscreen manchmal an bzw. nicht aus, wodurch ich Phantom-Eingaben mit der Wange mache, beim Fahrradfahren mehrfach den PIN gesperrt bekommen habe.
- Es fällt auf, dass sich mehrfach am Tag und häufiger als bei anderen Telefonen der Kompass „verschluckt“, er muss dann durch Herumschwenken in der „liegenden 8“ kalibriert werden.
- Mit einem zusätzlich eingerichteten Google-Firmenaccount werden die in diesem Account installierten Apps beim Aufruf des App-Drawers stets zuerst aufgerufen, dann muss man den Bildschirm rechts davon aufrufen, um die „normalen“, also auf dem Haupt-Account installierten, Apps anzuzeigen – normalerweise sind die links. Extrem nervig!
Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 03.12.2022 10:33 Uhr